Ein Arzt entfernt mittels eines Lasers bei einem Mann ein Tattoo auf der Brust. (Quelle: dpa/Marcus Simaitis)

Brandenburg Berlin Interview | Tattoos weglasern: "Je bunter eine Tätowierung, desto aufwändiger ist die Entfernung"

Stand: 06.05.2024 06:23 Uhr

Wen sein "Arschgeweih" nervt, wer den veralteten Partnernamen im Anker stehen hat oder wem sein Tattoo einfach per se nicht mehr gefällt, kann es mithilfe von Laser entfernen lassen. Was das kostet, wie lange es dauert und wo es kniffelig werden kann.

rbb|24: Hallo Herr Sembt. Haben Sie ein Tattoo oder jemals damit geliebäugelt?
 
Thomas Sembt: Ich habe des Öfteren mit einer Tätowierung geliebäugelt. Aber ich komme immer wieder zu dem Schluss, dass ich kein Typ für ein Tattoo bin. Ich habe das große Vergnügen, viele Top-Artists aus der internationalen Tätowierer-Szene zu kennen, die sicherlich versiert Hand anlegen würden. Doch da es in meinem Job auch primär um Tattoo-Entfernung geht, muss es in dieser Szene auch einen blassen Krieger wie mich geben.

Wie wenden sich Menschen, die ihr unliebsames Tattoo loswerden wollen, an Sie?
 
Tätowierte Menschen googeln in der Regel als erstes, wenn es um das Thema Tattoo-Entfernung geht. Da landet man ziemlich schnell bei mir auf der Website, wo man mithilfe der Suchfunktion nach einem entsprechendem Laser-Therapeuten in seiner näheren Umgebung suchen kann.

Wie funktioniert so eine Tattoo-Entfernung?
 
Man nutzt die Lichtenergie einer bestimmten Wellenlänge, die die Komplementärfarbe von der Farbe ist, die in die Haut als Tattoo-Pigment eingebracht worden ist. Je dunkler dieses Pigment ist, desto besser funktioniert die jeweilige Laserlicht-Wellenlänge. Das heißt, bei einer schwarzen Tätowierung funktionieren alle vier Wellenlängen der für die Laser-Tattoo-Entfernung in der Dermatologie verwendeten Lasersysteme. Denn ein schwarzes Tattoo hat den höchsten Kontrastanteil.
 
Bei der Behandlung wird die Lichtenergie in extrem kurzen energiegeladenen Impulsen abgegeben. So werden die Pigmente in der Haut in Kleinstteile zertrümmert. Diese werden dann als "Pigmentmüll" vom Immunsystem erkannt und auf natürliche Art und Weise abtransportiert.

Wie lange dauert das ganze Prozedere denn bei einem etwa handflächengroßen Tattoo?
 
Die einzelnen Laserimpulse, die der Laser abgibt, können nach Herzfrequenzen eingestellt werden. Das heißt, man kann Einzelimpulse abgeben oder zehn bis fünfzehn Impulse pro Sekunde abgeben. Mithilfe der Impulse wird das Tattoo-Motiv sozusagen abgepinselt. Ein mittelgroßes ausgefülltes Tattoo mit einer Größe von etwa zehn mal zehn Zentimeter ist in etwa fünf Minuten behandelt. Das Aufwändigste bei der Tattoo-Entfernung ist die Beratung, die sehr umfangreich ist und im Anschluss die sorgsame Nachsorge. Also die Pflege der behandelten Hautstelle im Heilungsprozess.

Die Behandlung selbst dauert also einmal fünf Minuten?
 
Nein, man muss mehrfach kommen. Mit einer Behandlung ist es nicht getan. Mit einer Laserbehandlung kann man vielleicht mal ausnahmsweise ein sehr kleines, sehr dünnes, sehr zartes und mit wenig Tattoo-Farbe gestochenes Motiv entfernen. Im Durchschnitt sind sechs bis zwölf Behandlungswiederholungen nötig. In der Regel sind es aber mehr. Das kann sich über anderthalb Jahre hinziehen. Denn die Einzelbehandlungen werden im Abstand von vier bis sechs Wochen oder mit noch mehr Abstand durchgeführt. Bei einer sehr großen Tätowierung, wie beispielsweise einem "Backpiece" – also einem komplett tätowierten Rücken – wird die Fläche auch oft eingeteilt. Laser-Dermatologen lasern selten mehr als zwei Handflächen groß. Denn das Immunsystem hat ja auch zu tun mit den Pigmenttrümmern.

Was kostet die Tattooentfernung im Schnitt?
 
Das ist von vielen individuellen Faktoren abhängig. Da geht es unter anderem um die Größe der Tätowierung. Aber auch um das eingesetzte Laser-System. Nicht zuletzt bemisst sich der Preis an der Anzahl der Behandlungswiederholungen, bis das Tattoo tatsächlich verschwunden ist.
 
Grob kann man sagen: Wer für 50 Euro ein kleines Tattoo bekommen hat, kann den Preis mindestens verzehnfachen für die Entfernung.

Sich ein Tattoo stechen zu lassen, ist ja bekanntlich nicht ganz schmerzfrei. Gilt das auch für die Entfernung desselben?
 
Ja, Tattoo-Entfernung tut weh. Wer anderes behauptet, steht darauf. Aber Schmerzempfinden ist sehr individuell. Man kann es vielleicht mit Fettspritzern aus der Bratpfanne vergleichen. Es kommt aber auch auf die betroffene Körperstelle an. Am Unter- oder Oberarm ist diese Art von Schmerz sicher besser auszuhalten als beispielsweise am Rumpf.
 
Hinzu kommt: Neuste Laser-Systeme sind durchaus schmerzärmer. Man kann zudem mit Hautluftkühl-Systemen während der Behandlung gegen den Schmerz arbeiten. Was hilft, sind auch Kühl-Packs. Da muss man nur aufpassen, dass es nicht zu Gefrierbrand auf der Haut kommt.

Grob kann man sagen: wer für 50 Euro ein kleines Tattoo bekommen hat, kann den Preis mindestens verzehnfachen für die Entfernung

Hand aufs Herz: gehen wirklich alle Tattoos ganz weg, wenn man sie so behandelt?
 
Es gibt Unterschiede. Man muss ganz deutlich sagen: Eine hundertprozentige Tattoo-Entfernung ist auch mit neuester Technik nicht möglich. Wenn ich weiß, wo eine Tätowierung war, werde ich sie immer wiederfinden. Das liegt schon allein daran, dass keine Tätowierung der Welt ohne eine Narbe auskommt, denn die Nadeln perforieren das Hautareal. Und leider ist Haut nicht in der Lage, ihren natürlichen Ur-Zustand im Heilungsprozess wiederherzustellen. Es wird dabei neues Hautgewebe gebildet, und das wird man erkennen können. Ob beispielsweise noch Schattierungen sichtbar sind, ist letztendlich Kunden-Entscheidung. Denn dieser entscheidet ja, wann er mit der Laser-Behandlung fertig ist. Wenn ihm das Tattoo hell genug ist, kommt der nicht wieder.
 
Aber es ist heutzutage möglich, eine Tätowierung so aufzuhellen und zu entfernen, dass ein fremder Außenstehender sie nicht mehr bemerken würde.

Welche Faktoren außer der Behandlungshäufigkeit bestimmen, wie gut oder schlecht sich ein Tattoo entfernen lässt?
 
Individuelle Faktoren, wie die Art und Weise des Stechens einer Tätowierung sowie am Alter des Tattoos könnte man rückschließen, welche Tätowiermittel verwendet wurden und ob es überhaupt Tätowierfarben oder andere farbgebende Mittel waren. Da hat sich mit dem Tätowierfarben-Verbot durch die Tattoo-REACH Verordnung [Anm. d. Redaktion: Seit Januar 2022 schränkt die REACH-Verordnung der EU die Nutzung bestimmter Pigmente stark ein und verbietet damit fast alle vorher genutzten Tattoofarben. Hintergrund war, dass einige der Inhaltsstoffe potenziell gesundheitsschädigend gewesen sein sollen] viel getan.
 
Auch die Größe der Tätowierung, die Körperstelle und die Menge der eingebrachten Tätowier-Mittel beeinflusst die Entfernung. Es ist ein Unterschied, ob ein Anker-Tattoo als Fineline-Tattoo mit einer Single-Needle gestochen wurde oder ob es ein sattes Realistic-Tattoo mit fünf verschiedenen Farbgebungen und Schattierungen ist. Auch der Hauttyp und körperliche Konstitution beeinflussen die Entfernung.
 
Am Ende kommt es aber auch auf die Auswahl des Lasersystems an. Man unterscheidet zwischen Piko- und Nano-Lasersystemen. Der Unterschied liegt in der Dauer des einzelnen Laserimpulses. Je kürzer, desto besser. Außerdem gibt es verschiedene Kristalle in den verschiedenen Lasern, mit denen die Laserlicht-Welle erzeugt wird.

Sie haben das Anker-Tattoo angesprochen. Ist das ein Klassiker, der entfernt wird? Oder ist es der Name der Ex-Partnerin, des Ex-Partners, der die Liste anführt? Das "Arschgeweih" ist ja auch nicht mehr so modern.
 
Obwohl das Anker-Tattoo ein Klassiker ist, habe ich selten mitbekommen, dass eines entfernt werden soll. Was aber tatsächlich passieren kann ist, dass - wenn im Anker-Tattoo der Name des verflossenen Partners oder der Partnerin steht - der Name dann geändert werden soll. Da kann man mit dem Laser dann den Namen korrigieren oder für ein sogenanntes Cover-up vorbereiten. Da sticht dann der Tätowierer den neuen Namen im Anschluss.
 
Namens- und Partner-Tattoos sind gängige Entfernungen. Auch florale Motive werden oft entfernt. Aber auch Mode- und Trend-Motive wie die Pusteblume, aus der Schwalben entfleuchen, oder das Infinity-Motiv – die liegende Acht - werden oft weggemacht.
 
Das Lower-Back-Tattoo oder Steiß-Tattoo ist zwar tatsächlich etwas aus der Mode gekommen und ich kenne keinen meiner Laser-Dermatologen, der nicht mindestens eins entfernt hat, aber so oft passiert das gar nicht mehr. Es ist auch zu Unrecht als "Arschgeweih" verunglimpft worden. Denn da gibt es wirklich schöne Formen.

Steigt die Nachfrage nach Tattoo-Entfernungen?
 
Die Nachfrage nach Tattoo-Entfernungen wächst unweigerlich mit der Nachfrage nach Tätowierungen. Aber man kann sagen, dass die meisten Laserbehandlungen Korrekturen von Motiven oder die erwähnten Cover-up-Vorbereitungen beinhalten. Da wollen die Kunden oftmals Platz für neue Motive haben.

Symbolbild: Ein Mann tätowiert einen Menschen mit blauer Farbe. (Quelle: dpa/M. Brandt)
"Wir hatten viele Absagen, weil viele Kunden Farb-Tattoos wollten"

Nach dem Verbot vieler Tattoo-Farben Anfang 2022 sind seit Mittwoch zwei weitere Grün-und Blaupigmente nicht mehr zulässig. Viele Tatöwierer haben für das Verbot kein Verständnis. Neue Farbpaletten machen bunte Tattoos weiter möglich.mehr

Warum lassen sich die Menschen nicht einfach eine Tätowierung machen, die nach einiger Zeit von selbst wieder verschwindet?
 
Davon rate ich ab. Ich erinnere mich, dass sich vor vielen Jahren der Moderator Thomas Gottschalk nach verlorener Saalwette bei "Wetten, dass..?" ein solches sogenanntes Bio- oder Temp-Tattoo hat stechen lassen. Das sollte nach zwei oder drei Jahren von alleine wieder verschwinden. Das hat er wohl heute noch.
 
Meine Dermatologen haben tatsächlich wohl nichts so viel gelasert wie die verschiedenen Varianten von angeblich temporären Tätowierungen.
 
Was gut für eine kürzere Zeit zu funktionieren scheint als Farbmotiv auf der Haut, sind Bilder über eine Form des Wassertransferdrucks. Hier klebt das Tattoo-Motiv einfach auf der Haut. Bedenken muss man aber, dass, wenn sich dieses Bild auflöst, es irgendwann nicht mehr nach Tattoo aussieht, sondern eher an einen halb abgepopelten Sticker erinnert.
 
Vielen Dank für das Gespräch.
 
 
 
Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

Sendung: Antenne Brandenburg, 29.04.2024, 13:12 Uhr