Ein Mann dirigiert und hält dabei den Taktstock mit konzentriertem Gesicht (Mark Rohde)

Mecklenburg-Vorpommern Beethovens 9. Sinfonie: Das sagen Dirigenten über sie

Stand: 06.05.2024 17:00 Uhr

Vier Dirigenten - eine Sinfonie: Zum Jubiläum - 200 Jahre Uraufführung der 9. von Ludwig van Beethoven - erzählen die vier Chefdirigenten der Orchester an den Theatern in Mecklenburg-Vorpommern, was sie mit diesem Werk verbinden.

Von Axel Seitz

"Ich habe es (das Werk) noch nie dirigiert. Ich habe alle anderen acht mittlerweile, auch einige davon mehrfach, aber eben halt die 9. noch nicht", sagt der Chefdirigent der Neubrandenburger Philharmonie, Daniel Geiss, über seine Beziehung zu Beethovens 9. Sinfonie.

Neben dem Dirigenten gibt es auch den Cellisten Daniel Geiss. Der war in den vergangenen Jahren des Öfteren als Orchestermusiker an Aufführungen der 9. beteiligt. Dem inzwischen 45-Jährigen liegt vor allem ein Satz dieser Sinfonie sehr am Herzen: "Das, was ich mit diesem Stück am allermeisten verbinde, ist dieser Beginn von dem letzten Satz, bevor der Chor kommt. Natürlich unter anderem auch, weil ich als Cellist an diesem Rezitativ sehr beteiligt bin."

Dirigent und Cellist Daniel Geiss.

Als Cellist hat Daniel Geiss Beethovens 9. Sinfonie schon mehrfach gespielt.

Wann Geiss die letzte Sinfonie von Ludwig van Beethoven mit "seiner" Neubrandenburger Philharmonie aufführen wird, kann er noch nicht genau sagen, aber in den kommenden drei oder vier Jahren soll es schon sein.

Florian Csizmadia hält das Werk für nicht unproblematisch

Auch der Chefdirigent des Philharmonischen Orchesters Vorpommern, Florian Csizmadia, hat die 9. von Beethoven noch nicht dirigiert: "Es hätte eine wunderbare Gelegenheit gegeben. Ich habe 2020 einen Beethoven-Zyklus mit meinem Orchester gemacht und wollte alle neun Sinfonien machen. Ausgerechnet die 9. ist der Pandemie zum Opfer gefallen."

Der Dirigent Florian Csizmadia

Der Dirigent Florian Csizmadia hat die 9. Sinfonie noch nie dirigiert.

Der 48-jährige Generalmusikdirektor am Theater Vorpommern betont, er bewundere Beethovens Komposition, sehe das Werk aber nicht ganz unproblematisch - vor allem, wie es im 20. Jahrhundert in den deutschen Diktaturen benutzt wurde: "Wenn sie sich allein nur die die Rezeption im Nationalsozialismus anschauen, wenn sie den Text von Schillers 'Ode an die Freude' lesen und was Beethoven daraus im Finale gemacht hat, das hat mit Nationalsozialismus nicht sonderlich viel zu tun. Trotzdem hat man das mit schlimmen Winkelzügen irgendwie kompatibel gemacht. Genauso in der DDR, als man es unter sozialistischen Vorzeichen gedeutet hat."

Der gebürtige Mannheimer hat sich schon vorgenommen, in "absehbarer Zeit" auch die 9. zu dirigieren, jedoch noch nicht in der kommenden Spielzeit am Theater Vorpommern.

Marcus Bosch und das Problem mit dem 2. Satz

Der Chefdirigent der Norddeutschen Philharmonie, Marcus Bosch, wird die 9. zum Jahresende gleich vier Mal in Rostock dirigieren. "Ich sag mal, am schwersten tue ich mich immer noch mit dem 2. Satz", sagt er. "Der ist einfach aus den Fugen geraten, aber das soll er natürlich auch. Aber dem eine sinnvolle Form zu geben - das ja fast eine Penetration von immer Gleichem - damit tue ich mich am schwersten."

Ein Mann mit weißem Hemd, Fliege und Frack am Rand eines Hafens (Dirigent Marcus Bosch)

"Es wahrscheinlich die Beethoven-Sinfonie, die ich meisten dirigiert habe", sagt Dirigent Marcus Bosch.

Mit Beethovens letzter vollendeten Sinfonie kennt sich der 54-jährige Dirigent besonders gut aus: "Es ist wahrscheinlich die Beethoven-Sinfonie, die ich meisten dirigiert habe. Und mir fällt ein: Ich war in Aachen Generalmusikdirektor, als die zweite Aufführung der 9. in Aachen stattfand." Ferdinand Ries führte Beethovens letzte vollendete Sinfonie am 23. Mai 1825 anlässlich der Eröffnung des Stadttheaters Aachen beim Niederrheinischen Musikfest auf. Es war das erste Mal, dass dieses Werk in Deutschland erklang.

Mark Rohde und der besondere 4. Satz

Mark Rohde, Chefdirigent der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin, sieht vor allem im 4. Satz der Neunten das Besondere an diesem Werk: "Wenn ich sage, er schreibt drei 'normale Symphoniesätze' und dann merkt er plötzlich, es geht nicht, das reicht mir nicht aus. Ich habe einen Ausdruckswillen. Der braucht noch mehr als diesen Orchesterapparat, der mir zur Verfügung steht. Das ist die Krönung. Das ist der Höhepunkt."

Ein Mann dirigiert und hält dabei den Taktstock mit konzentriertem Gesicht (Mark Rohde)

Dirigent Mark Rohde sagt: "Ich muss das Stück wieder neu für mich entdecken".

Den 48-Jährigen berührt "unglaublich", wozu Beethoven beim Komponieren in der Lage war: "Beethoven litt chronisch an Schmerzen, hatte Probleme mit seinem Verdauungssystem gehabt, Entzündungen überall im Körper, wurde taub, litt an einer fortschreitenden Bleivergiftung. Jemand, der Jahre beziehungsweise jahrzehntelang so eingeschränkt ist, leidet und körperliche Gebrechen hat, der schreibt plötzlich einen 4. Satz, der eine unbändige Freude von sich gibt."

Mark Rohde dirigierte die 9. erstmals in Schwerin - mit der Mecklenburgischen Staatskapelle - zum Jahresende 2021. In diesem Jahr stellt er sich nicht an das Pult: "Ich muss das Stück wieder neu für mich entdecken. Damit wächst so etwas. Das Gefährlichste im Musikbetrieb ist Routine."

Und so steht Ende dieses Jahres, der Belarusse Vitali Alekseenok, der künftige Chefdirigent an der Deutschen Oper am Rhein, am Pult der Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin, wenn die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven erklingt.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Radio MV | Der Kunstkaten - Kultur aus MV | 09.05.2024 | 19:00 Uhr